Etta Becker-Donner
(1915-1974)
 
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Amerikanistin, Ethnologin, Direktorin des Museums für Völkerkunde in Wien, * 5.12.1911 in Wien, † 24.9. 1975 in Wien

Biografisches (mit Schwerpunkt ihrer afrikanistischen Tätigkeit)

Das Spezialgebiet der Ethnologin und Leiterin des Wiener Museums für Völkerkunde war Lateinamerika. In den Anfangsjahren ihrer Karriere beschäftigte sich Etta Becker-Donner jedoch mit Afrika, insbesondere mit Liberia.

Aufgewachsen in Wien, absolvierte Etta (eigentlich Violetta) Donner an der Universität Wien das Studium der Ethnologie und afrikanischen Linguistik. 1934, am Ende ihres Studiums, unternahm die 22-Jährige ihre erste Reise nach Liberia. Die zweite Reise erfolgte in den Jahren 1936/37. 1941 heiratete Etta Donner den Ingenieur und Amerikanisten Hans Becker, der 1947 beruflich nach Chile versetzt wurde (Gedächtnisausstellung 1981: 3). Ab diesem Zeitpunkt bildete die Beschäftigung mit Lateinamerika den Schwerpunkt von Becker-Donners ethnologischen Studien, auch nach dem Tod ihres Mannes und ihrer Rückkehr nach Wien 1948. 1954 brach Etta Becker-Donner zu ihrer ersten Brasilien-Expedition auf (Gedächtnisausstellung 1981: 3). Weitere Forschungsreisen führten sie in den folgenden Jahrzehnten nach Costa Rica und Guatemala. Ein Schwerpunkt ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit war dabei die Beschäftigung mit südamerikanischer Kunst. Weitere Reisen unternahm Becker-Donner nach China, in die USA und in die Sowjetunion. Auf ihren Expeditionen war sie meist ohne europäische Begleitung, mit einheimischen Führern, Dolmetschern und Personal unterwegs.

Parallel zu ihrer Forschungstätigkeit in Lateinamerika übernahm Becker-Donner ab 1955 die Leitung des Museums für Völkerkunde in Wien, wo sie bereits ab 1938 als wissenschaftliche Mitarbeiterin beschäftigt war (Fuchs 2002: 53). In ihrer 20-jährigen Zeit als Direktorin baute sie den Bereich der Sonderausstellungen und Veranstaltungen (bspw. Kurse und öffentliche Vorträge) aus, und betrieb die Erweiterung des Museums z.B. durch die Einrichtung eigener Werkstätten (Gedächtnisausstellung 1981: 4). Etta Becker-Donner war zudem in der Entwicklungspolitik engagiert (Gedächtnisausstellung 1981: 12—13) und eine der GründerInnen des Lateinamerika-Instituts inWien (Fuchs 2002: 54).

Etta Becker-Donners auf Afrika bezogene Forschungen erfolgten in der Zeit während und unmittelbar nach ihrem Studium. Die Basis dafür waren zwei Forschungsreisen nach Liberia (Fuchs 2002: 53). Die erste Expedition 1934 unternahm sie nach eigenen Angaben "alleine", d.h. ohne Begleitung aus Wien (Gedächtnisausstellung 1981: 6). Vor Ort erfuhr Becker-Donner die Unterstützung der Regierungsstellen, die sie mit Empfehlungsschreiben an die jeweiligen lokalen Stellen ausstatteten. Die Reise selbst absolvierte sie mit afrikanischen Trägern und DienerInnen (Becker-Donner 1939a: VII—VIII). Becker-Donner verbrachte während dieser Reise eineinhalb Jahre im Gebiet der Gola (im Westen Liberias) und der Mano, Dan und Kran (im Nordosten des Landes). Diese Regionen waren zu diesem Zeitpunkt in Europa noch wenig bekannt. Sie fertigte umfangreiche sprachwissenschaftliche und ethnografische Aufzeichnungen und Aufnahmen an, darunter eine Sammlung von Erzählungen, und brachte von dieser ersten Reise eine Vielzahl von Objekten mit nach Wien. Diese wurden Anfang 1936 am Institut für Ägyptologie und Afrikanistik ausgestellt (Gedächtnisausstellung 1981: 6), im Rahmen einer Sonderausstellung im Museum für Völkerkunde in Wien 1937/38 gezeigt (Fuchs 2002: 53) und danach vom Völkerkunde-Museum in Berlin angekauft (Gedächtnisausstellung 1981: 6).

Während ihrer zweiten Reise nach Liberia von November 1936 bis Sommer 1937 sammelte Becker-Donner hauptsächlich Kunstwerke, die in einer Ausstellung im Oktober 1937 im Museum für Völkerkunde in Wien gezeigt wurden, in dessen Besitz die Sammlung auch überging (Gedächtnisausstellung 1981: 6).

Etta Becker-Donner publizierte nach ihrer Rückkehr einige Beiträge über ihre Studien in Afrika. In einem 1936 erschienenen Artikel beschreibt sie Tänze und Akrobatik. Dabei stellt sie sehr detaillierte Beobachtungen an und illustriert ihre Schilderungen mit Fotos, die sie in Liberia gemacht hat (Donner 1936). In einem anderen Aufsatz aus dem Jahr 1939 schreibt Becker-Donner Berichte und Erzählungen der Mano nieder. Als Quelle dafür nennt sie einen Mano namens Cole sowie eine Dan namens Kuawo (Donner 1939b: 175 und 186). Die Erzählungen beschreiben historische Ereignisse wie die Gründung von Dörfern sowie Totem-Bräuche und (Nahrungsmittel-)Tabus, die Becker-Donner nach der Wiedergabe der Texte (teilweise im Original und in Übersetzung, teilweise ausschließlich auf Deutsch) erklärt und analysiert. Sie wählt dafür einen neutralen, sachlichen Sprachstil ohne Bewertungen oder moralisierende Kommentare.

Auch in ihrer Dissertation widmet sich Becker-Donner Liberia, sie promovierte über die Sprache der Mano (Dissertation 1940, publiziert 1968). Die Arbeit besteht aus einer umfassenden Grammatik und einem Vokabelverzeichnis, darüber hinaus führt Becker-Donner Erzählungen und deren Übersetzung sowie Sprichwörter und deren Bedeutungen an.

Neben diesen wissenschaftlichen Arbeiten beschrieb Becker-Donner ihre Reiseerlebnisse auch in Radiobeiträgen und in Vorträgen (beispielsweise an der Wiener Volkshochschule) sowie im Buch Hinterland Liberia. Diese Beschreibung ihrer ersten Reise nach Liberia erschien 1939 auf Englisch in einem Londoner Verlag (siehe Donner 1939a). Im Vorwort nennt Becker-Donner als Grund für das Reiseziel die Abgeschiedenheit des Landes und die Möglichkeit, traditionelle afrikanische Lebensweisen, die noch nicht europäisch beeinflusst sind, zu beobachten (Becker-Donner 1939a: VII). Im Hauptteil des Buches schildert Becker-Donner Anekdoten ihrer Reise, liefert Beschreibungen der einzelnen Ethnien, die sie besuchte und baut darin Informationen zum historischen Kontext der Region ein.

Auch wenn Afrika nicht das Schwerpunktthema der Forschungstätigkeit der Ethnologin Etta Becker-Donner war, so arbeitete sie auf der Basis zweier Reisen an einer breiten Palette ethnografischer und sprachwissenschaftlicher Themen.

Mitgliedschaften

Österreichische Ethnologische Gesellschaft (Vorstandsmitglied und Präsidentin)

Österreichisches Lateinamerika Institut (Präsidentin)

Verein Freunde der Völkerkunde (Vizepräsidentin, Redakteurin des Archiv für Völkerkunde)

Wiener Anthropologische Gesellschaft (Ausschussrätin)

Bibliografie

Feest, Christian (1977): Etta Becker-Donner (1911—1975). In: Indiana. Beiträge zur Völker- und Sprachenkunde, Archäologie und Anthropologie des indianischen Amerika 4: 265—268

Donner, Etta (verheiratet: Becker-Donner, Etta): siehe Archivmaterial und Werkeverzeichnis

Fuchs, Brigitte (2002): Etta Becker-Donner. In: Wissenschafterinnen in und aus Österreich. Leben — Werk — Wirken, Hg. Brigitta Keintzel/Ilse Korotin. Wien: Böhlau: 53—55

Manndorff, Hans (1975): In memoriam Etta Becker-Donner. In: Wiener völkerkundliche Mitteilungen N.F. 17/18: 7—9

Manndorff, Hans (1976): In memoriam Etta Becker-Donner. In: Archiv für Völkerkunde 30: 1—3

Manndorff, Hans (1978): In memoriam Dr. Etta Becker-Donner (1911—1975). In: Mitteilungen der Anthropologischen Gesellschaft in Wien 108: 178—179

Museum für Völkerkunde, Wien, Hg (1981): Gedächtnisausstellung Etta Becker-Donner (1911—1975). Wien: Museum für Völkerkunde

Archivmaterial

Archiv des Museums für Völkerkunde Wien: Nachlass Etta Becker-Donner

Werke mit Afrikabezug

Donner, Etta (1936): Die Akrobaten des Schlangenbundes. In: Atlantis. Länder, Völker, Reisen 8: 558—561

Donner, Etta (1938): Togba, a Woman’s Society in Liberia. In: Africa 11: 109—111

Donner, Etta (1939a, reprint 1977): Hinterland Liberia. Glasgow: Blackie & Son

Donner, Etta (1939b): Überlieferungen aus Nordost-Liberia. In: Zeitschrift für Ethnologie. Organ der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte 71: 174—200

Donner, Etta (1940a): Kunst und Kunsthandwerk in Nordostliberia. In: Baessler Archiv 23: 46—110

Donner, Etta (1940b):Überlieferungen aus Nordostliberia. Stammesgeschichten, Totemismus und Tabu. In: Zeitschrift für Ethnologie 71: 174—200

Becker-Donner, Etta (1944): Über zwei Kruvölkerstämme: Kran und Grebo. In: Wiener Beiträge zur Kulturgeschichte und Linguistik 6 (= Koloniale Völkerkunde 1): 1—70

Becker-Donner, Etta (1965): Die Sprache der Mano (= Österreichische Akademie der Wissenschaften, philosophisch-historische Klasse: Sitzungsberichte 245/5)

Becker-Donner, Etta (1968): Wilde Indianer und Buschneger. Wien: Museum für Völkerkunde

verfasst von: Birgit Pack

letzte Änderung: 4.2.2010

zu zitieren nach:

Pack, Birgit (2010): Etta Becker-Donner. Verfügbar unter

http://www.afrikanistik.at/pdf/personen/becker-donner_etta.pdf (Zugriff Datum, Seite)

Foto: Bildarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek, Wien

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