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Hans Günther Mukarovsky (1922-1992) |
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Hans G. Mukarovsky wurde am 2. Oktober 1922 in Wien-Gersthof als zweites Kind einer Offiziers- und Beamtenfamilie geboren, die durch den Zusammenbruch des Habsburgerreiches den Großteil ihres Vermögens eingebüßt hatte.
Im Jahre 1940 maturierte der begabte Mittelschüler am Bundesrealgymnasium im 18. Wiener Gemeindebezirk, Schopenhauerstraße, und inskribierte dann an der Universität Wien Afrikanistik mit den Nebenfächern Völkerkunde und Arabisch. Von 1941 bis 1944 leistete er seinen Wehrdienst beim Deutschen Heer in Dolmetschereinheiten für Hausa, Ful, Swahili und Arabisch. Im September 1944 geriet er in englische Kriegsgefangenschaft und wirkte bis 1945 an den von österreichischen Kriegsgefangenen gestalteten Sendungen von BBC London mit. Nach seiner Entlassung aus der Gefangenschaft setzte er sein Studium bei Wilhelm Czermak fort und arbeitete als freier Mitarbeiter der katholischen Zeitschriften Die Furche und Wort und Wahrheit. 1948 legte er eine ausgezeichnete Dissertation über die Grammatik des Kisi vor und bestand die Rigorosen mit Auszeichnung. 1953 erhielt Mukarovsky erstmals einen Lehrauftrag für afrikanische Sprachen und habilitierte sich 1963 mit der Arbeit Die Grundlagen des Ful und das Mauretanische an der Universität Wien für das Fach Afrikanistik. 1957/58 wurde ihm der "Theodor Körner-Preis" und 1963 der "Kardinal Innitzer-Preis" zuerkannt. 1961 hatte er schon sein Buch Afrika — Geschichte und Gegenwart, das als zweite deutschsprachige Darstellung der Geschichte Afrikas große Beachtung fand und 1964 auch in einer französischen Übersetzung erschien, veröffentlicht. Der damalige Redaktionsrat des Bundespressedienstes und Universitätsdozent war kein stiller Gelehrter im "Elfenbeinturm der Wissenschaft", sondern ein weltgewandter Mann, der durch seine journalistisch-publizistische Tätigkeit auf wissenschaftlichem Fundament in die Öffentlichkeit wirkte und in Österreich Tore aufstieß, indem er das sich nach und nach von der Kolonialherrschaft emanzipierende Afrika durch seine eleganten und pointierten Artikel einem breiteren, an historischen, politischen und sozialen Vorgängen interessierten Publikum näherbrachte. Mukarovskys intellektuelle Tätigkeit hatte drei Schwerpunkte: a) vergleichend-sprachwissenschaftliche Arbeiten auf dem Gebiet der Afrikanistik, b) literarische und c) journalistisch-publizistische Arbeiten. Sein poetisches Werk fand Ausdruck in vielen Gedichten, die in Zeitschriften und Anthologien, aber auch im Österreichischen Rundfunk veröffentlicht wurden. Eine Auswahl von Gedichten erschien 1982 unter dem Titel Am Rande der Wirklichkeit. Über lange Jahre wirkte Mukarovsky zugleich im Bundespressedienst und an der Universität Wien. 1969 erhielt er den Titel "Außerordentlicher Universitätsprofessor", 1973 wurde er zum "Wirklichen Hofrat" ernannt und seit diesem Jahr leitete er auch den Gästedienst des Bundespressedienstes. 1977 wurde Mukarovsky Ordinarius am neugeschaffenen — und nun von der Ägyptologie getrennten — Institut für Afrikanistik. Im gleichen Jahr erschien seine zweibändige, vergleichende Arbeit A study of Western Nigritic, die ihre Fortsetzung in der 1987 veröffentlichten Studie Mande-Chadic. Common stock. A study of phonological and lexical evidence fand. Als Gründungsprofessor der Afrikanistik in Wien prägte der neue Ordinarius den Aufbau und die Struktur des jungen Institutes. Damit verbunden entstand eine moderne Afrikabibliothek für Sprachen, Literatur, Geschichte und Politik. Die unter seiner Führung formulierte Studienordnung öffnete der Studienrichtung Afrikanistik neue Wege. Seine Vorlesungen zeichneten sich durch lebendigen Stil, Freude am Spiel mit Wort und Satzbau aus, und durch eine unglaubliche Breite in der Auswahl von Daten aus den verschiedensten afrikanischen Sprachen, wobei für seine wissenschaftlichen Überlegungen Afrika nie der unbegrenzte Raum, sondern der wichtige Ausgangspunkt für übergreifendes Denken war. Viele Gastvorlesungen im Ausland vertieften die wissenschaftlichen und menschlichen Beziehungen zu anderen Fachgelehrten. Zehn Reisen führten ihn in verschiedene afrikanische Länder, besonders oft nach Marokko, wo sein Bruder Géza seit Jahrzehnten lebte. Das Institut führte Mukarovsky frei und engagiert. Er ließ allen Mitarbeitern und Studenten Raum, hatte ein immer offenes Ohr für Anliegen, Sorgen und Nöte von Mitarbeitern und ausländischen Besuchern und förderte Talente, wo er sie erkannte und wie es im Rahmen sehr beschränkter Mittel möglich war. Hans Günther Mukarovsky, der Humanist und Christ, der alte, freundliche Herr mit den verbindlichen, höflichen Manieren und dem hintergründigen wienerischen Humor, dessen Herz für Afrika so blutvoll schlug, ist tot. Alle, die ihn kannten und schätzten, werden ihm ein ehrendes Andenken bewahren. WERKEVERZEICHNIS HANS G. MUKAROVSKY Mukarovsky, Hans G. (1948): Die Sprache der Kisi in Liberia. Abriß einer Grammatik mit Texten und Vokabular, bearbeitet nach Aufzeichnungen von Dora Earthy. phil. Diss. an der Univ. Wien Mukarovsky, Hans G. (1957): Das "Sonnenrind" der Ful'be. In: Wiener Zeitschrift für die Kunde des Morgenlandes 54 (=Festschrift Hermann Junker): 130—140 Mukarovsky, Hans G. (1959a): Altmediterranes Wortgut in Westafrika. In: Wiener Zeitschrift für die Kunde des Morgenlandes 55: 1—48 Mukarovsky, Hans G. (1959b): Kisi und Bantu. In: Archiv für Völkerkunde 13: 132—173 Mukarovsky, Hans G. (1961): Afrika — Geschichte und Gegenwart. Wien/Freiburg/Basel: Herder Mukarovsky, Hans G. (1962): Anlautwechsel, nominale und verbale Formen im Ful. In: Wiener Zeitschrift für die Kunde des Morgenlandes 58: 1—23 Mukarovsky, Hans G. (1963a): Die Grundlagen des Ful und das Mauretanische. Wien/Freiburg/Basel: Herder Mukarovsky, Hans G. (1963b, 1964a): Baskisch und Berberisch. In: Wiener Zeitschrift für die Kunde des Morgenlandes 59/60: 52—94 Mukarovsky, Hans G. (1964b): Afrique d’hier et d’aujourd’hui. [=französische Übersetzung von Mukarovsky, Hans G. (1961): Afrika — Geschichte und Gegenwart. Übersetzt von Simonne Huitin]. Tournai/Paris Mukarovsky, Hans G. (1965): The comperative method, applied to Twi. In: Afrika und Übersee 49: 256—269 Mukarovsky, Hans G. (1966): West African and Hamito-Semitic languages. In: Wiener völkerkundliche Mitteilungen 13/8: 9—36 Mukarovsky, Hans G. (1967a): Ful und Hamitentum. In: Paideuma 13: 130—142 Mukarovsky, Hans G. (1967b, 1968a): L'Euro-Saharien et les langues ouest-africaines, avec les observations de J. Tubiana. In: Groupe Linguistique d'Études Chamito-Sémitiques 11/2: 160—177 Mukarovsky, Hans G. (1967c, 1968b): Langues apparantées au chamito-sémitique. In: Groupe Linguistique d'Études Chamito-Sémitiques 11/2: 83—91 Mukarovsky, Hans G. (1971): Die Zahlwörter "eins" bis "zehn" in den Mandesprachen. In: Afrikanische Sprachen und Kulturen. Ein Querschnitt. Johannes Lukas zum 70. Geburtstag gewidmet, Hg. Veronika Six. Hamburg: Deutsches Institut für Afrika-Forschung: 142—153 Mukarovsky, Hans G. (1972): El vascuence y el bereber. In: Euskera 17: 5—49 Mukarovsky, Hans G. (1976—1977): A study of Western Nigritic. Volumes 1 and 2. Wien: Institut für Ägyptologie und Afrikanistik Mukarovsky, Hans G. (1979): Bantusprachen und Sudansprachen. Zur Forschungsgeschichte der Afrikanistik. In: Afrika und Übersee 62/2: 81—106 Mukarovsky, Hans G. (1981a): Hamito-Semitisch, Afro-Asiatisch, Erythräisch. Zum Wandel von Begriffen und Verständnis. In: Zeitschrift für Phonetik, Sprachwissenschaft und Kommunikationsforschung 34/5: 511—526 Mukarovsky, Hans G. (1981b): Wo steht das Saharanische? In: Afrika und Übersee 64: 187—226 Mukarovsky, Hans G. (1983a): Die Nominalklassen im Serer und im Ful. In: Afrika und Übersee 66: 175—190 Mukarovsky, Hans G. (1983b): Zur Stellung des Ful und Wolof. In: Sprache, Geschichte und Kultur in Afrika. Vorträge, gehalten auf dem 3. Afrikanistentag in Köln, 14.—15. Oktober 1982, Hg. Rainer Voßen/Ulrike Claudi. Hamburg: Buske: 255—277 Mukarovsky, Hans G. (1987a): Die Plateausprachen. Eine Einheit? In: Sugia 8: 311—324 Mukarovsky, Hans G. (1987b): Grundzahlwörter im Tschadischen, Kuschitischen und Omotischen. In: Proceedings of the 4th international Hamito-Semitic congress Marburg, 20.—22. September 1983, Hg. Herrmann Jungraithmayr/Walter W. Müller. Amsterdam/Philadelphia: Benjamins: 25—46 Mukarovsky, Hans G., Hg. (1987c): Leo Reinisch — Werk und Erbe (=Sitzungsberichte der Österreichische Akademie der Wissenschaften, philosophisch-historische Klasse Bd. 492). Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften Mukarovsky, Hans G. (1987d): Mande-Chadic. Common stock. A study of phonological and lexical evidence. Wien: Afro-Pub Mukarovsky, Hans G. (1989a): Ful und Soninke in historischem Sprachkontakt. In: Afrika und Übersee 72: 161—190 Mukarovsky, Hans G. (1989b): Songhai. Eine tschadische Sprache? In: Frankfurter afrikanistische Blätter 1: 15—29 Mukarovsky, Hans G. (1990): Zum Stand der vergleichenden Afrikanistik. In: Zeitschrift für Phonetik, Sprachwissenschaft und Kommunikationsforschung 43/4: 447—456 Es sei hier auch auf die zahlreichen Artikel verwiesen, die in verschiedenen Zeitungen (Die Furche, Die Presse, Kontinente, Ruhrwort u.a.) erschienen sind. verfasst von: Erich Sommerauer * letzte Änderung: 29.01.2010 zu zitieren nach: Sommerauer, Erich (2010): Hans Günther Mukarovsky. Verfügbar unter http://www.afrikanistik.at/pdf/personen/mukarovsky_hans_guenther.pdf (Zugriff Datum, Seite) * = bearbeitete und leicht veränderte Fassung des Beitrages: Sommerauer, Erich (1993): In Memoriam Hans Günther Mukarovsky (2.10.1922—29.11.1992). In: Journal für Entwicklungspolitik IX/1: 105—107. Wiederveröffentlicht mit freundlicher Genehmigung |
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